30. März 2020
Corona-Update VI: Urlaub, Urlaubsentgelt sowie Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall während der Kurzarbeit
1. Urlaub
Bei Urlaub des Arbeitnehmers ist hinsichtlich der Auswirkungen auf den Urlaubsanspruch danach zu unterscheiden, wie die Arbeitszeit während der Kurzarbeit verteilt ist und auch beim Urlaubsentgelt gibt es eine Besonderheit:
a) Kurzarbeit mit weniger Wochenarbeitstagen und Kurzarbeit Null
Mit Urteil vom 08.11.2012 (C-229/11 und C-230/11) hat der EuGH entschieden, dass bei Kurzarbeit in Form der Verringerung der zu leistenden Arbeitstage pro Woche eine entsprechend proportionale Kürzung des Urlaubsanspruches zulässig ist. Wird zum Beispiel nur an drei statt fünf Wochentagen regelmäßig gearbeitet, kürzt sich der Urlaubsanspruch für die Zeit der Kurzarbeit auf drei Fünftel. Bei Kurzarbeit Null entsteht dementsprechend gar kein Urlaubsanspruch.
Der EuGH begründet dies damit, dass der Kurzarbeiter anders als der langzeiterkrankte Arbeitnehmer nicht unter den durch die Erkrankung hervorgerufenen physischen und psychischen Beschwerden leidet, sondern sich ausruhen oder Freizeittätigkeiten nachgehen kann. Kurzarbeiter sind daher als „vorübergehend teilzeitbeschäftigte Arbeitnehmer” anzusehen, was eine anteilige Kürzung des Jahresurlaubs (ggf. bis auf Null) rechtfertigt. Dabei weist der EuGH darauf hin, dass die Kürzung nicht auf Jahresurlaub angewandt werden kann, der in einer Zeit der Vollbeschäftigung erworben wurde – das also vorliegend z.B. der anteilige Jahresurlaub 2020 von 3/12 für die Monate Januar bis März 2020 bereits vollständig erworben wurde.
Da die entsprechende Urlaubskürzung wohl nur „zulässig“ ist, aber kein Automatismus, ist dies vorsorglich auch in individual- oder kollektivrechtlichen Vereinbarungen zur Einführung der Kurzarbeit zu regeln.
b) Kurzarbeit an allen Wochenarbeitstagen
Während einer Kurzarbeit mit Anzahl der Beibehaltung der regelmäßigen Arbeitstage pro Woche und lediglich (meist gleichförmiger) Kürzung der täglichen durchschnittlichen Arbeitszeit kommt keine proportionale Kürzung der Urlaubstage gemäß den vorstehenden Ausführungen in Betracht. Bei Kurzarbeit ohne Veränderung der regelmäßigen Wochenarbeitstage besteht daher der volle Urlaubsanspruch.
c) Urlaubsentgelt
Die Auswirkungen auf das Urlaubsentgelt sind von der Dauer des Urlaubsanspruchs zu trennen.
Zunächst sind Verdienstkürzungen während des Urlaubs (Bezugszeitraums des Urlaubsentgelts) unbeachtlich; der Arbeitnehmer behält das höhere Urlaubsentgelt, wie es sich aus dem Durchschnitt im Referenzzeitraum nach § 11 BUrlG (letzte 13 Wochen vor Urlaubsantritt) ergibt (vgl. BAG vom 20.09.2000 – 5 AZR 924/98, NZA 2001, 657). Verkürzt sich im Bezugszeitraum die Arbeitszeit durch Kurzarbeit, fällt zwar weniger Arbeitszeit aus, die bezahlt werden muss. Jedoch darf die Arbeitszeitverkürzung nicht dazu führen, dass der rechnerisch anteilig erworbene Urlaubsanspruch aus der Zeit vor der Arbeitszeitverkürzung dadurch mit weniger Urlaubsentgelt in Anspruch genommen wird (vgl. EuGH vom 22.04.2010 – C-486/08, NZA 2010, 557).
Zudem regelt § 11 Abs. 1 Satz 3 BUrlG, dass Verdienstkürzungen im Referenzzeitraum wegen Kurzarbeit unbeachtlich sind. Da dementsprechend das Urlaubsentgelt pro Urlaubstag gleich hoch bleibt, empfiehlt sich bei der konkreten Anordnung der Kurzarbeit die Verteilung derselben auf weniger regelmäßige Wochenarbeitstage als potentielle Einsparmöglichkeit, da sich die Anzahl der Urlaubstage gemäß Ziffer 1) proportional kürzt, während das Urlaubsentgelt pro Urlaubstag gleich hoch bleibt.
Gesondert zu beachten ist, dass bei Kurzarbeit Null der Urlaubsanspruch nicht erfüllt werden kann, weil die Arbeitspflicht aus anderen Gründen bereits vollständig suspendiert ist. Hier muss der Urlauber aus der Kurzarbeit herausgenommen werden und erhält Urlaubsentgelt für die fiktiv ausfallende Vollarbeitszeit, oder es tritt keine Erfüllung des Urlaubsanspruchs ein, so dass der Urlaub nach Ende der Kurzarbeit (als Schadensersatz in natura) nachzugewähren ist; dies gilt jedenfalls für bereits vor Beginn der Kurzarbeit bewilligten Urlaub (vgl. BAG vom 16.12.2008 – 9 AZR 164/08).
2. Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall
Ist der Arbeitnehmer bei Anordnung der Kurzarbeit arbeitsunfähig erkrankt oder erkrankt er während der Kurarbeit, gilt folgendes:
a) Bei Anordnung der Kurzarbeit bereits bestehender Krankengeldbezug
Ist der Arbeitnehmer zum Beginn der Kurzarbeit bereits so lange erkrankt, dass er keinen Entgeltfortzahlungsanspruch mehr hat, sondern bereits Krankengeld bezieht, so erhält er weiterhin nach §§ 44 ff. SGB V Krankengeld auf Grundlage des früheren regelmäßigen Vollzeitentgelts. Die Höhe des Krankengeldes verändert sich durch die spätere Anordnung von Kurzarbeiter daher nicht.
b) Bei Anordnung der Kurzarbeit laufende Entgeltfortzahlung
Ist der Arbeitnehmer zum Beginn der Kurzarbeit bereits erkrankt, bezieht aber noch Entgeltfortzahlung vom Arbeitgeber, so reduziert sich mit Einführung der Kurzarbeit der Umfang des Entgeltfortzahlungsanspruchs auf den Umfang der Vergütung für die noch verbliebene Restarbeitszeit (§§ 3 Abs. 1, 4 Abs. 3 Satz 1 EFZG).
Betreffend die durch die Anordnung von Kurzarbeit ausgefallene Arbeitszeit erhält der Arbeitnehmer Krankengeld in Höhe des Kurzarbeitergeldes (§ 47b Abs. 4 SGB V).
c) Bei bereits angeordneter Kurzarbeit eintretende Erkrankung
Wenn der Arbeitnehmer erst während der Kurzarbeit erkrankt, so hat zunächst auch hier gegenüber seinem Arbeitgeber im Umfang der noch verbliebenen Restarbeitszeit Anspruch auf Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall nach §§ 3 Abs. 1, 4 Abs. 3 EFZG für die ersten sechs Wochen. Zugleich erhält der im Umfang der durch die Anordnung von Kurzarbeit ausgefallenen Arbeitszeit die Fortzahlung des Kurzarbeitergeldes auch im Krankheitsfall nach § 98 Abs. 2 SGB III.
Nach Ablauf des sechswöchigen Entgeltfortzahlungszeitraums besteht sodann wieder ein Krankengeldanspruch. Dieser richtet sich nach dem früheren Entgelt vor Anordnung der Kurzarbeit (§ 47 b Abs. 3 SGB V).
Autor: Markus Pander
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