05. Januar 2020
Notbetreuung in Kitas in Zeiten von Corona – Wer hat Anspruch worauf?
Wenn innerhalb der Notbetreuung aus personellen Gründen auch die Notbetreuungsplätze knapp werden, wer hat dann Anspruch worauf?
Die Kindertagesbetreuung ist regelmäßig unverzichtbare Voraussetzung für berufliche Tätigkeiten, die eine häusliche Abwesenheit erfordern oder sich nicht in die Abend- und Nachtstunden verschieben lassen. Bereits im ersten Lockdown wurden Kitas und Horteinrichtungen bundeslandübergreifend auf eine Notbetreuung reduziert, in der – mit Abweichungen in den einzelnen Bundesländern – nur Kinder Aufnahme finden konnten, deren Betreuung entweder aus Gründen der Wahrung des Kindeswohls oder deswegen erforderlich war, um den in sog. kritischen Infrastrukturbereichen berufstätigen Eltern die Ausübung des Berufes zu ermöglichen.
Damit vergleichbare Regelungen gelten erneut seit dem 16.12.2020 und es ist in hohem Maße unwahrscheinlich, dass nach dem 10.01.2021 eine Rückkehr zum regulären Betrieb von Kitas und Horten möglich ist. Berufstätigen mit kleinen Kindern ohne private Betreuungsmöglichkeiten stehen also wieder schwere Zeiten bevor.
Auch die Kommunen stellt diese Situation vor besondere Herausforderungen. Teilweise werden sie mit beim Verwaltungsgericht geltend gemachten Ansprüchen von Eltern auf Zuweisung eines kostbaren Platzes in der Notbetreuung konfrontiert. Denn viele werden für sich in Anspruch nehmen, dass ihre berufliche Tätigkeit von herausragender Bedeutung und einer kritischen Infrastruktur zuzuordnen sei. Für eine brandenburgische Stadt konnten wir ein solches Ansinnen im Verfahren einer Angestellten eines Steuerberatungsbüros in einem Verfahren beim Verwaltungsgericht Cottbus im ersten Lockdown abwehren (VG Cottbus, Beschluss vom 31.03.2020 – 8 L 151/20)
Schwierige und in der Rechtsprechung bislang noch nicht geklärte Fragen werden sich voraussichtlich stellen, wenn innerhalb der Notbetreuung aus personellen Gründen die auch die Notbetreuungsplätze knapp werden. Da nutzt es wenig, dass das OVG Lüneburg im September 2020 in Bezug auf das Wunsch- und Wahlrecht der Eltern in § 5 Abs. 1 und 2 SGB VIII entschieden hat, dass die Erwerbstätigkeit der Eltern ein erheblicher sozialer Belang ist, der bei der Vergabe von Kita-Plätzen berücksichtigt werden müsse. Denn das Wunsch- und Wahlrecht findet seine Grenzen im tatsächlichen vorhandenen Angebot des kommunalen Einrichtungsträgers, wie das Gericht ebenfalls zu Recht betont (Beschluss vom 03.09.2020 – 10 ME 174/20).
Die Grenzen des Möglichen mit einem Vorrang für berufstätige Eltern in den für das gesellschaftliche Leben existentiellen Daseinsvorsorgebereichen werden dann mit der normativen Kraft des Faktischen auch die rechtlichen Vorgaben geben. Bei aller Vehemenz, mit der teilweise Einzelpersonen ihre Forderungen und vermeintliche Ansprüche gegenüber kommunalen Einrichtungsträgern geltend machen, wird deren Einrichtungsorganisation auch im Spiegel gerichtlicher Entscheidungen mit diesem Augenmaß begleitet werden müssen. Damit zeigt sich einmal mehr: Die Pandemie fokussiert die grundlegende Frage des Verhältnisses zwischen Allgemeinwohl und Einzelinteressen auch in rechtlicher Hinsicht.
Autor: Dr. Martin Düwel