Das Lieferkettengesetz kommt!

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15.02.2021

Das Lieferkettengesetz kommt!

Globale Pflicht zum Schutz der Menschenrechte durch deutsche Unternehmen: Das Lieferkettengesetz kommt!

Pünktlich zum Valentinstag lagen sich die beteiligten Bundesminister in den Armen: Ab 2023 werden zunächst größere Unternehmen mit mehr als 3.000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern dazu verpflichtet, in der gesamten Lieferkette sicherzustellen, dass es nicht zu Ausbeutung und Menschenrechtsverletzungen ihrer Zulieferer kommt. Weltweit! Mit einem Regierungsentwurf für das Gesetz wird Ende Februar 2021 gerechnet.

Eine Love-Story war das Zustandekommen dieses Gesetzes indes nicht:

Lange Zeit hatte es so ausgesehen, dass die beteiligten Minister sich nicht auf den Rahmen für einen Gesetzesentwurf einigen können. Die Kontrahenten? In der einen Ecke: Wirtschaftsminister Peter Altmaier. Ihm gegenüber: Arbeitsminister Hubertus Heil und Entwicklungsminister Gerd Müller.

Altmaier warnte vor den Belastungen der deutschen Wirtschaft und setzte stattdessen lange auf das Prinzip Freiwilliger Selbstverpflichtung. Seit Mitte 2020 allerdings geriet diese Position ins Hintertreffen, als klar wurde, dass Ziele des Nationalen Aktionsplans Wirtschaft und Menschenrechte durch die deutschen Unternehmen nicht erreicht werden konnten.

Damit erlangten Heil und Müller entscheidenden Auftrieb und Altmaier lies die Fäuste sinken.

Ende gut, alles gut?

Zumindest handelt es sich um einen echten Kompromiss. Das Bundeswirtschaftsministerium hatte diverse Zugeständnisse zur Bedingung einer Einigung gemacht. Kernpunkte des Gesetzes werden sein:

  • Es gilt ab dem Jahr 2023 zunächst nur für Unternehmen mit mindestens 3.000 Mitarbeitern, ab 2024 sodann auch für solche ab 2.000 Mitarbeitern.
  • Den Unternehmen wird eine gesetzliche Sorgfaltspflicht auferlegt, ihre jeweilige Lieferkette in den Blick zu nehmen und auf die Einhaltung von Menschenrechten und Arbeitsschutzstandards zu achten sowie ggf. für Abhilfe bei Verletzungen zu sorgen. Umweltbelange werden dann berücksichtigt, wenn sie zu Menschenrechtsverletzungen führen.
  • Unmittelbare Zulieferer (Tier 1) sollen direkt auf die Einhaltung der Menschenrechtsstandards verpflichtet werden, bei allen weiteren Gliedern der Lieferkette hat eine anlassbezogene Prüfung stattzufinden, wenn es Beschwerden gibt. Zur Regelung des Beschwerdeverfahrens wird das Bundeswirtschaftsministerium komplementär zum Gesetz eine Rechtsverordnung erlassen.
  • Es wird keine zivilrechtliche Haftung und Klagebefugnis für von Menschenrechtsverletzungen betroffenen Einzelpersonen vor deutschen Gerichten geben. Dieser Punkt war für das Bundeswirtschaftsministerium eine zentrale Bedingung, den bisherigen Widerstand aufzugeben. Wie das zu dem Punkt passt, dass NGOs und Gewerkschaften die Möglichkeit erhalten sollen, Betroffene im Wege der Prozessstandschaft vor deutschen Gerichten zu vertreten, ist noch unklar.
  • Bei Verstößen gegen die Sorgfaltspflicht drohen Bußgelder und ein Ausschluss von der Teilnahme an öffentlichen Ausschreibungen für bis zu 3 Jahre.
  • Die Durchsetzung soll primär verwaltungsrechtlich erfolgen. Die Zuständigkeit hierfür soll beim Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle liegen. Dieses soll auch Vor-Ort-Kontrollen durchführen können.

Fazit: Tischfeuerwerk oder Mondrakete?

Die rausverhandelte zivilrechtliche Haftung sollte nicht zu der Annahme verführen, das Lieferkettengesetz sei ein „german softy“: Auch ein rein verwaltungsrechtlich sanktioniertes Gesetz kann weh tun – wenn die Verwaltung bereit ist, die ihr zur Verfügung stehenden Instrumente in die Hand zu nehmen.

Auch dürfte zivilrechtlich Druck auf die nachgelagerten Zulieferer in komplexen Lieferketten ausgeübt werden. Denn die Großunternehmen werden versuchen, ihre gesetzlichen Sorgfaltspflichten „top-down“ in Lieferverträge mit ihren Lieferanten einzubauen. Kombiniert mit Freistellungsverpflichtungen für die Folgen etwaiger Verstöße könnte das Gesetz gerade für den Mittelstand auf der zweiten oder dritten Zulieferer-Ebene zu einer großen Herausforderung werden. Also gerade für jene Unternehmen, die Altmaier vor den Belastungen des Lieferkettengesetzes schützen wollte.

Druck kommt auch noch aus ganz anderer Richtung: Denn ob das Lieferkettengesetz überhaupt von langer Dauer sein wird, steht in den Sternen (gelb, auf blauem Grund). Die EU-Kommission schreibt längst an ihrem eigenen Drehbuch: Mit nationalen Alleingängen ebnen die Mitgliedstaaten der EU den Weg, von ihrer Binnenmarktkompetenz (Art. 114 AEUV) Gebrauch zu machen und – zur Herstellung eines funktionierenden Binnenmarkts – eigene Gesetzesvorhaben in Gang zu setzen. Dann kommt möglicherweise ein europäisches Lieferkettengesetz mit einer scharfen zivilrechtlichen Haftung für Sorgfaltspflichtverstöße und einer allgemeinen Erstreckung auf Umweltschutzstandards.