13. Januar 2023
Das Hinweisgeberschutzgesetz ist da! Herausforderungen für die Unternehmenspraxis 2023
Autoren: Dr. Stephan Schäfer, Jan Dietze, Dennis Busch (Ref.)
Hinweisgeberschutz – Herausforderung für die Unternehmenspraxis im neuen Jahr
Mit Beschluss des Bundestages zum Hinweisgeberschutzgesetz am 16.12.2022 setzt Deutschland mit großem Verzug die bereits Ende 2019 erlassene EU-Whistleblower-Richtlinie um. Mit dem neuen Gesetz, welches voraussichtlich im zweiten Quartal 2023 in Kraft tritt, wird ein bislang lückenhafter und überwiegend durch Rechtsprechung geprägter Schutz der Whistleblower (Hinweisgeber) gestärkt. Künftig sollen Unternehmen ab 50 Beschäftigten verpflichtet werden, interne Meldestellen einzurichten und Meldungen bei Verstößen nachzugehen. Bei Nichtbefolgung drohen erhebliche Bußgelder von bis zu 100.000 €.
In diesem Beitrag geben wir einen ersten Überblick über die wichtigsten Regelungen des Hinweisgeberschutzgesetzes und erklären, auf welche Herausforderungen sich die Unternehmen einstellen müssen.
- Anwendungsbereich des Gesetzes
Der Anwendungsbereich des Gesetzes ist zunächst sehr weit gefasst. Geschützt werden neben den Arbeitnehmern auch Selbstständige, Praktikanten, Lieferanten sowie solche Personen, die bereits vor Beginn des Arbeitsverhältnisses Kenntnis über Verstöße erlangt haben.
Der sachliche Anwendungsbereich umfasst hingegen solche Meldung von Informationen über Verstöße gegen
- Strafvorschriften,
- Bußgeldvorschriften, soweit die Vorschrift dem Schutz von Leib, Leben oder Gesundheit oder dem Schutz der Rechte von Beschäftigten dient sowie
- Vorschriften des Bundes und der Länder sowie Rechtsakte der EU.
Unklar in diesem Zusammenhang ist, ob auch Verstöße gegen das Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz (LkSG), welches ab Januar 2023 in Kraft tritt, ebenfalls erfasst sein sollen. Da das LkSG ebenfalls ein eigenständiges Beschwerdeverfahren für Hinweisgeber enthält, wird sich unweigerlich die Frage stellen, ob in solchen Fällen ein einheitliches oder getrenntes Beschwerdeverfahren vorzuhalten ist.
Von besonderer Bedeutung für die Praxis wird ebenfalls die Frage sein, wie damit umzugehen ist, wenn Geschäftsgeheimnisse zur Verfolgung von Verstößen offengelegt werden. Zwar wird dies durch das Gesetz grundsätzlich gestattet, allerdings nur dann, wenn der Inhalt zur Aufdeckung von Verstößen „erforderlich“ ist.
- Pflicht zur Einrichtung interner Meldestellen ab 50 Beschäftigten
Die Pflicht zur Einrichtung interner Meldestelle betrifft nur Unternehmen mit mehr als 50 Beschäftigten. Für Unternehmen mit 50 bis 250 Beschäftigten besteht zudem die Möglichkeit, sich gemeinsam mit anderen Betrieben der gleichen Größenkategorie zusammen zu schließen und eine sog. „gemeinsame Meldestelle“ zu betreiben. Damit sollen in erster Linie die personellen und wirtschaftlichen Ressourcen kleiner Betriebe geschont werden. Zudem enthält das Gesetz für Unternehmen mit 50 bis 250 Beschäftigten eine Übergangsregelung, wonach die Pflicht zur Einrichtung interner Meldestellen erst ab dem 17.12.2023 greifen soll.
- Anforderungen an die Einrichtung interner Meldestellen
Hinsichtlich der Ausgestaltung interner Meldestellen überlässt das Gesetz den Unternehmen die Wahl. So können interne Meldestellen durch Mitarbeiter in Doppelfunktion wahrgenommen werden, beispielsweise durch Leiter der Compliance-, Rechts- oder Personalabteilung oder Datenschutzbeauftragte. Möglich ist aber auch die Beauftragung von Dritten, wie z.B. externer Rechtsanwälte.
Vorsicht ist bei der Beauftragung von Vorstandsmitgliedern geboten, da hier jedenfalls ein Konflikt mit den gesetzlichen Vorgaben an die Unabhängigkeit und Vertraulichkeit interner Meldestellen bestehen kann.
Unklar derzeit ist die Frage, ob interne Meldestelle auch innerhalb einer Konzernebene eingerichtet werden können, so z.B. für alle Konzerngesellschaften bei der Muttergesellschaft. Der deutsche Gesetzgeber hält dies jedenfalls für möglich. Die Europäische Kommission hat solchem Verständnis von der Richtlinie allerdings eine klare Absage erteilt. Nationale Umsetzungsgesetze, die den Konzernen erlauben würde eine zentrale Meldestelle auf Konzernebene einzurichten, wären mit der Richtlinie demnach unvereinbar. Wie ein solcher Konflikt in Zukunft gelöst wird, bleibt abzuwarten.
- Anforderungen an die Ausgestaltung und Verfahren interner Meldestellen
Werden Mitarbeiter mit Wahrnehmung interner Meldestellen beauftragt, ist sicherzustellen, dass unbefugte Personen keinen Zugriff auf eingehende Meldungen bekommen. Denn die Identität des Hinweisgebers soll jederzeit geschützt werden.
Zudem müssen Unternehmen sichere Kommunikationswege einrichten und sicherstellen, dass Meldungen jederzeit in Textform, mündlich per Telefon oder andere Art der Sprachübermittlung sowie im Wege eines persönlichen Gesprächs übermittelt werden können. Bei Verarbeitung personenbezogener Daten sind die Vorgaben des Datenschutzes zu beachten.
Für das Meldeverfahren stellt das Gesetz eine Reihe an Vorgaben auf. So müssen Unternehmen insbesondere
- den Eingang der Meldung innerhalb von sieben Tagen bestätigen,
- prüfen, ob der Verstoß in den Anwendungsbereich des Gesetzes fällt,
- weitere Folgemaßnahmen ergreifen und
- den Hinweisgeber über den Ausgang des Verfahren informieren.
- Empfehlungen für eine sichere Umsetzung
Auch wenn die Einrichtung von internen Meldestelle mit Kosten und Aufwand verbunden ist, hat dies gegenüber der externen Meldestelle den entscheidenden Vorteil, dass Meldungen über Verstöße zunächst im Unternehmen verbleiben und dort intern aufgeklärt werden können.
Gerne beraten wir Sie zu allen Fragen rund um das Thema Hinweisgeberschutz und helfen Ihnen bei der Einhaltung und Umsetzung gesetzlicher Vorgaben. Denn nur wenn die Hinweisgeber internen Meldestellen vertrauen können, kann der Gang zur externen Meldestelle oder eine öffentliche Anprangerung verhindert werden.
Hier können Sie den Beitrag herunterladen.