01. August 2023
Urlaubsanspruch der Fremdgeschäftsführer einer GmbH
Zum Urlaubsanspruch der Fremdgeschäftsführer einer GmbH
Die GmbH ist mit Abstand die häufigste Rechtsform der Unternehmen in Deutschland. Als juristische Person wird sie vertreten durch den/die GmbH-Geschäftsführer/in. Das sind entweder Gesellschafter, die ihr eigenes Unternehmen führen, oder aber in den meisten Fällen, angestellte Unternehmensführer/innen. Diese bezeichnet man als Fremdgeschäftsführer/in. Sie arbeiten gegen Vergütung und schließen einen Anstellungsvertrag mit der Gesellschaft ab – wie Arbeitnehmer. Dennoch sind sie mit den Arbeitnehmern/innen nicht ohne weiteres vergleichbar, stehen sie diesen doch in der Person des Arbeitgebers gegenüber. Der Status der/s Fremdgeschäftsführer/in ist in vielerlei Hinsicht bedeutsam: Im Sozialversicherungsrecht stellt sich die Frage, ob eine sozialversicherungspflichtige Beschäftigung vorliegt, in vertraglicher Hinsicht, ob die vielen Arbeitnehmerschutzvorschriften auch für diese Unternehmensführer/innen anzuwenden sind, oder in prozessualer Hinsicht, ob sich diese Beschäftigtengruppe an das deutlich günstigere und schnellere Arbeitsgericht wenden kann, oder sich auf den langen Weg der ordentlichen Gerichtsbarkeit machen muss.
Eine einheitliche Antwort gibt es nicht, im Gegenteil, die Differenzierung wird immer unübersichtlicher und selbst Fachleute verlieren oftmals den Überblick.
Hier soll es nun um die vermeintlich simple Frage gehen, ob die Fremdgeschäftsführer/innen zwingenden Anspruch auf Erholungsurlaub haben, ob dieser verfallen kann und ob dieser am Ende in Entgelt abgegolten werden muss, sollten sich hierfür keine Regelungen im Dienstvertrag ergeben? Arbeitsrechtlich formuliert stellt sich die Frage, ob das zwingende Bundesurlaubsrecht auf diese Beschäftigtengruppe Anwendung findet.
Dessen Geltungsbereich beschränkt sich nach § 2 BUrlG auf Arbeitnehmer. Nach dem deutschen Arbeitnehmerbegriff sind Fremdgeschäftsführer/innen weder Arbeitnehmer noch arbeitnehmerähnliche Personen, sondern eher eine arbeitgeberähnliche Person. Da aber aufgrund der europäischen Richtlinie zur Arbeitszeitgestaltung der Arbeitnehmerbegriff im nationalen Urlaubsrecht „unionsrechtskonform“ ausgelegt werden muss, vertritt eine immer größer werdende Auffassung, dass die Fremdgeschäftsführer/innen unter den Geltungsbereich des Bundesurlaubsrechtes fallen. Folgt man dieser überzeugenden Auffassung, so ergibt sich folgendes:
- Mindesturlaubsanspruch
Die Fremdgeschäftsführer/innen haben demnach den gesetzlichen Mindesturlaubsanspruch (20 Tage pro Jahr bei einer 5-Tage Woche) nach den Regelungen des Bundesurlaubsrechts.
- Verfall und Übertrag
Nach dem Wortlaut des Gesetzes (§ 7 Abs. 3 BUrlG) verfällt der nicht gewährte Urlaub mit Abschluss des Kalenderjahres, in dem entstanden ist, es sei denn er überträgt sich auf das nächste Kalenderjahr. Eine Übertragung findet indes nur statt, wenn dringende betriebliche oder in der Person des Arbeitnehmers liegende Gründe dies rechtfertigen. Liegen diese rechtfertigenden Gründe vor, so bedarf es keines Antrages, sondern der Urlaub überträgt sich ohne weiteres als „Resturlaub“ des Vorjahres in das neue Jahr. Er verfällt dann allerdings, sollte er nicht bis zum Abschluss des ersten Quartals in natura verbraucht worden sein.
Der europäische Gerichtshof hat in vielen Einzelschritten das nationale Urlaubsrecht, wie es nunmehr auch vom Bundesarbeitsgericht verstanden wird, maßgeblich abweichend vom gesetzlichen Wortlaut mitgestaltet. So kann nach mittlerweile gefestigter Rechtsprechung der übertragene Urlaubsanspruch nur ersatzlos verfallen, wenn der Arbeitnehmer überhaupt in der Lage war, diesen bis zum Abschluss des ersten Quartals zu verbrauchen. War er durchgehend arbeitsunfähig, so verfällt er unabhängig von der wiedererlangten oder durchgehend fortbestehenden Arbeitsfähigkeit 15 Monate nach Schluss des Urlaubsjahres.
Nicht verbrauchter Jahresurlaub kann nach jüngster Auffassung des EuGH aber grundsätzlich nur dann verfallen, wenn der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer im laufenden Urlaubsjahr konkret unter Bezug auf seine noch bestehenden Urlaubsansprüche auf diese Möglichkeit des ersatzlosen Verfalls hingewiesen hat (sog. Hinweisobliegenheit). Zwar muss der Arbeitgeber den Urlaub nicht einseitig festlegen und damit unaufgefordert gewähren, aber er muss zumindest dem Arbeitnehmer klargemacht haben, dass sein Urlaubsanspruch verfallen kann, wenn er sich nicht um die Gewährung kümmert, also entsprechende Urlaubsanträge stellt. Versäumt der Arbeitgeber diesen Hinweis, so überträgt sich der nicht verbrauchte Urlaubsanspruch auf das gesamte nächste Urlaubsjahr. Er kann zusammen mit dem aktuellen Jahresurlaub auch dann wieder nur verfallen, sollte er nicht in natura verbraucht werden, wenn in dem nächsten Urlaubsjahr ein entsprechender Hinweis erfolgt ist. Hier kann eine für Arbeitgeber gefährliche und oft unerkannte Kumulierung von Urlaubsansprüchen liegen. Für diese wären übrigens auch Rückstellungen zu bilden.
In der Praxis ist die Erfüllung dieser Hinweisobliegenheit nach wie vor schwierig, da sie jeden Arbeitnehmer individuell unter Bezug auf seine noch konkret bestehenden Urlaubsansprüche erfassen muss. Zudem muss gegebenenfalls dieser individuelle Hinweis nachweislich dem Arbeitnehmer zugegangen sein.
Bei den Fremdgeschäftsführer/innen ist fraglich, ob auch diese „Hinweis-Hürde“ für den Verfall des Urlaubsanspruches anzuwenden ist. Wer sollte die Fremdgeschäftsführer/innen denn konkret auf den Urlaubsverfall hinweisen, sind sie doch selbst in der Arbeitgeberposition? Die für ihr Vertragsverhältnis zuständige Gesellschafterversammlung? Das wird zu Recht nur vereinzelt vertreten und überzeugt nicht. Das Ergebnis ist, dass die gesamte Rechtsprechung zur Hinweisobliegenheit als Voraussetzung für den Urlaubsverfall im Dienstverhältnis der Beschäftigtengruppe Fremdgeschäftsführer/innen entfallen sollte.
Das bedeutet, dass sich der Verfall des nicht verbrauchten Jahres Urlaubsanspruches weiterhin – im Gegensatz zu den Arbeitnehmern/innen – nach dem Wortlaut des Gesetzes (§ 7 Abs. 3 BUrlG) richtet, obwohl sie nach dem Wortlaut des Gesetzes gar nicht in dessen Anwendungsbereich fallen sollten.
Die Fremdgeschäftsführer/innen sind urlaubsrechtlich also „Arbeitnehmer mit eingeschränktem Schutzbedürfnis“.
- Urlaubsabgeltung
Eine Urlaubsabgeltung in Entgelt gibt es aus § 7 Abs. 4 BUrlG bezogen auf den nicht verbrauchten Mindesturlaub im Falle der Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses. Für Fremdgeschäftsführer/innen gilt hier nichts Anderes, auch wenn der Dienstvertrag dazu schweigt. Dieser Umstand hat sich in der Praxis noch nicht herumgesprochen
- Vertraglicher Urlaub
Wie bei Arbeitnehmer/innen auch gelten diese zwingenden Regeln des Urlaubsrechtes nur für den Mindesturlaub. In der Praxis gibt es fast regelmäßig vertraglich mehr Urlaub als die gesetzlich zwingenden 20 Tage (bei einer 5-Tage-Woche). Für diesen Urlaubsanspruch können die Parteien im Grundsatz für das Entstehen, die Übertragung, den Verfall oder die Abgeltung vereinbaren, was sie möchten. Sie müssen nur klarstellen, dass sie diesen Teil des Urlaubes nicht nach den Regeln des gesetzlichen Mindesturlaubs behandelt wissen wollen. Daher werden künftig Urlaubsklauseln in Dienstverträgen für Fremdgeschäftsführer/innen bedeutender und komplexer.
- Welches Gericht ist zuständig?
Gibt es für die Beschäftigtengruppe der Fremdgeschäftsführer/innen Streit über Urlaubsfragen, so wäre naheliegend, dass für die Klärung dieses Streites über Arbeitnehmerschutzrechte die Arbeitsgerichte zuständig sind. Dem ist aber nicht so, denn die Fremdgeschäftsführer/innen sind zwar Arbeitnehmer im Sinne des Urlaubsrechtes, nicht aber im Sinne des Prozessrechtes (§ 5 Abs. 1 Satz 3 ArbGG). Selbst dann, wenn sie schon nicht mehr im Amt sind, weil sie als Geschäftsführer/in abberufen worden sind oder selbst niedergelegt haben, bleibt es bei der sachlichen Zuständigkeit der ordentlichen Gerichte. Zwar findet nach der Amtsbeendigung die „Bereichsausnahme“ des § 5 Abs. 1 Satz 3 ArbGG keine Anwendung mehr, aber es handelt sich weiterhin nicht um eine bürgerliche Rechtsstreitigkeit zwischen Arbeitnehmern und Arbeitgebern im Sinne des § 2 Abs. 1 Ziffer 3 ArbGG. Nur dann, wenn die Gesellschaft mit dem/r Fremdgeschäftsführer/in vertraglich im Sinne des § 2 Abs. 4 ArbGG die Zuständigkeit der Arbeitsgerichte vereinbart hat, sind die Arbeitsgerichte für Streitigkeiten aus den Dienstverhältnissen zuständig.
Anhand des Urlaubsrechtes zeigt sich, dass Fremdgeschäftsführer/innen nach der Rechtsprechung in die Beschäftigtengruppe „Arbeitnehmer“ oder „freie Dienstnehmer“ nicht klar einzuordnen sind. Sie sind „irgendwo dazwischen“. Für sie muss jede Rechtsfrage besonders betrachtet werden. Das macht das Leben für diese Gruppe schwerer und unsicherer.
Autor: Dr. Markus Kelber