21. Oktober 2020
GmbH im Verantwortungseigentum – Eine Alternative zu Stiftungsmodellen?
Eine Gruppe von Unternehmern – die „Stiftung Verantwortungseigentum“ – hat im Oktober einen Gesetzentwurf vorgelegt, mit dem die Einführung einer Gesellschaft in beschränkter Haftung („GmbH“) in Verantwortungseigentum erreicht werden soll. Dieser Entwurf stieß auf breites mediales Echo und gemischte Reaktionen.
1. Sozialunternehmen, Verantwortungsunternehmen
Tatsächlich treffen die Initiatoren mit Ihrem Entwurf den Nerv der Zeit. Kleine und mittlere Unternehmen im Umbruch und Startups stellen sich nämlich vermehrt die Frage, nach welchen Grundsätzen sie ihre Unternehmensführung ausrichten und ihre Trägerstrukturen gestalten sollen. Gerade die wachsende Zahl von Social Entrepreneurs und Sozialunternehmen (ecosia, einhorn Kondome, fair-finance etc) beklagt, dass das herrschende Recht bislang keine Rechtsform bereithält, die ihren Interessen genügt.
Hier will die Stiftung Verantwortungseigentum anknüpfen und hat den Anspruch ein möglichst niederschwelliges Angebot für sogenannte Verantwortungsunternehmer im GmbH-Gesetz zu schaffen. Es handelt sich damit auch um einen Gegenentwurf zur rechtspolitisch diskutierten Reform des Stiftungsrechts, die als Rechtsform für derartige Unternehmen stets in Betracht zu ziehen ist.
2. Leitkonzepte: Asset-Lock, Beschränkung des Gesellschafterkreises auf eine „Fähigkeiten- und Wertefamilie“
Mit der Erstellung des Entwurfs zur Einführung einer GmbH in Verantwortungseigentum (VE-GmbH) war ein Kreis namhafter Rechtswissenschaftler/innen betraut. Das Konzept des Verantwortungseigentums besteht im Wesentlichen aus zwei Komponenten:
a) Vermögensbindung statt persönlicher Gewinnmaximierung. Der Unternehmensgewinn kann durch die Anteilseigner nicht entnommen werden. Die Entwurfsverfasser sprechen in diesem Zusammenhang vom Asset-Lock
Dahinter steht folgende Vorstellung: Verantwortungsunternehmer hätten – entgegen der klassisch liberalen Zielvorstellung des Gesellschaftsrechts – nicht die Absicht, ihren eigenen Gewinn durch Ausschüttungen und Verkauf von Anteilen zu maximieren. Vielmehr speisen sie ihre Motivation aus anderen Faktoren, insbesondere einer angemessenen Vergütung als Gegenleistung für die Übernahme des unternehmerischen Risikos und der Möglichkeit ihre unternehmerischen Zielvorstellungen zu verwirklichen und in die Zukunft zu tragen.
b) Selbstständigkeit des Unternehmens und Grenzen der Übertragung der Anteile beschränkt auf eine „Fähigkeiten- und Wertefamilie“. Danach soll der Gesellschafterkreis zunächst von vornherein auf natürliche Personen und andere Gesellschaften in Verantwortungseigentum sowie gemeinnützige Körperschaften beschränkt sein, weil hier davon auszugehen sei, dass diese die entsprechenden unternehmerischen Motivationen aufbringen und nicht der Gewinnmaximierung verhaftet sind. In entsprechender Weise ist die Übertragung von Anteilen – sei es durch Veräußerung oder im Erbgang – nur an die vorgenannten Personen möglich.
3. Vergleich zu weiteren Gestaltungsvarianten
Der Gesetzentwurf muss sich insbesondere dem Vergleich mit den bereits bestehenden Rechtsformen stellen, in denen faktisch Unternehmerschaft in Verantwortungseigentum heute bereits – erfolgreich! – betrieben wird.
a) Meist kommt eine Stiftungsgestaltung zum Einsatz, da in dieser eine langfristige Vermögensbindung erreicht werden kann. Bekanntestes Beispiel ist sicher die Robert Bosch Stiftung. Allerdings haben die Initiatoren des Gesetzentwurfs zum Verantwortungseigentum durchaus Recht Ihrem Befund, dass das Aufsetzen und Unterhalten einer Stiftungsstruktur komplex und gerade für KMU und Startups häufig wenig attraktiv ist. Die langfristige Vermögensbindung unterwirft ferner das Handeln der Stiftung der Stiftungsaufsicht, was ebenfalls für viele Unternehmer abschreckend wirken kann.
b) Eine alternative Gestaltung zur Erreichung einer Vermögensbindung ist die Anerkennung einer Gesellschaft als gemeinnützig nach der Abgabenordnung. Freilich ist diese Gestaltungsvariante auf Unternehmen beschränkt, die einen der Zwecke verfolgen, die in der Abgabenordnung abschließend aufgezählt sind. Vielen Unternehmen steht diese Möglichkeit daher nicht zur Verfügung. Denn sie sind nicht auf einen engen Zweckkatalog ausgelegt, sondern verfolgen allein geschäftliche Zwecke der Teilnahme am Wirtschaftsleben. Vorteil der VE-GmbH ist, dass eine derartige Zweckbindung nicht existiert. Somit kann ein Unternehmen Gewinne erzielen und grundsätzlich frei thesaurieren. Es besteht gerade keine Vorgabe, dass die erzielten Erlöse zur Förderung bestimmter gemeinwohlförderlicher Zwecke eingesetzt werden. Sie dürfen nur nicht frei an die Anteilsinhaber ausgeschüttet werden.
4. Braucht es nun tatsächlich eine GmbH in Verantwortungseigentum?
Einerseits ist der Initiative „Verantwortungseigentum“ in einem Punkt sicher zuzustimmen: Die bestehenden Stiftungsmodelle sind für Startups und kleine Unternehmen häufig aufgrund ihrer Komplexität und Kosten nicht attraktiv. Das Abzielen auf Gemeinnützigkeit hingegen scheitert in aller Regel daran, dass nicht nur in der Abgabenordnung genannte Zwecke verfolgt werden.
Andererseits sind die Einwände der Kritiker durchaus gewichtig:
Das Konzept einer „Herrschaft der toten Hand“ steht teilweise im Widerspruch zur geltenden gesellschaftsrechtlichen und wirtschaftlichen Ordnung, wenngleich auch im Stiftungsrecht der einmalige Stifterwille dauerhaft zu erfüllen ist. Jedenfalls entzieht die dauerhafte Vermögensbindung faktisch Vermögen dem Wirtschaftskreislauf und – bei gegenwärtiger Rechtslage – auch weitgehend der künftigen Besteuerung. Die Wirtschaftsgeschichte lehrt, dass dies zu einer Verknöcherung der Wirtschaft führen kann.
Inhaltlich wird auch kritisiert, dass es kaum verbindliche Vorgaben für die Gestaltung der Rechtsbeziehungen zwischen GmbH und Gesellschaftern sowie die Governance des Unternehmens gibt. So ist in der Tat nicht gewährleistet, dass die Unternehmensführung tatsächlich besonders verantwortlich agiert, zumal es anders als im Stiftungsrecht oder Gemeinnützigkeitsrecht keine fortlaufende Kontrolle durch staatliche Akteure (Stiftungsaufsicht; Finanzbehörden) gibt. So liegt es – trotz verschärfter Regelungen zur Geschäftsführerhaftung im Gesetzesentwurf – nahe, dass die Anteilsinhaber die fehlende Möglichkeit, Gewinne zu entnehmen, durch unverhältnismäßig hohe Geschäftsführervergütungen, Darlehens- und Beteiligungskonstruktionen (Joint Ventures, Stille Beteiligungen) umgehen.
5. Impuls für die Gestaltung von Verantwortungseigentum in bestehenden Gesellschaftsverträgen
Der Gesetzesentwurf zur VE-GmbH hebt zutreffend hervor, dass eine Vermögensbindung auch durch Vereinbarungen im Gesellschaftsvertrag erreicht werden kann. Die Professorenriege vertritt insoweit freilich die Auffassung, dass
„derartige Konstruktionen keine notwendige rechtliche Sicherheit bieten, kompliziert und dem juristischen Laien schwer vermittelbar sind.“
Dem ist zu widersprechen:
Selbstverständlich können Vermögensbindung und entsprechende Governance-Strukturen auch heute satzungsrechtlich gestaltet und auch dem „juristischen Laien“ vermittelt werden. Für die Praxis bleibt es bei wichtigen Impulsen, die der Gesetzesentwurf in der Klauselgestaltung bietet. So können insbesondere § 77f Abs. 2 GmbH-Gesetz (Entwurf) zur Geschäftsführervergütung und der Möglichkeit von Gesellschafterdarlehen als Blaupause für Klauseln in Gesellschaftsverträgen dienen. Ähnliches gilt für die in § 77h geregelten Berichts- und Governance-Pflichten.
Wirtschaftlich wäre es für die Akzeptanz und Flexibilisierung des Modells zielführend, wenn das Entnahmerecht der Gesellschafter nicht vollständig ausgeschlossen, sondern nur eingeschränkt würde. Denn eine beschränkte Entnahmemöglichkeit könnte verhindern, dass der Appetit auf die Gewinne anderweitig gestillt wird, z.B. durch überhöhte Geschäftsführervergütung. Auch das lässt sich bereits jetzt in GmbH-Satzungen umsetzen.
Autor: Dr. Stephan Schäfer