Vorsicht Falle – hohe Risiken bei fehlerhaften Organ-Dienstverträgen

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11. November 2020

Vorsicht Falle – hohe Risiken bei fehlerhaften Organ-Dienstverträgen

„Vorsicht Falle“, möchte man fast rufen zu den möglichen Auswirkungen der durch eine aktuelle Entscheidung des BGH verfestigten Rechtsprechung zum Dienstvertragsrecht für Organ-Mitglieder.

Es geht um folgende bzw. vergleichbare Praxisfälle:

Ein GmbH-Geschäftsführer wird abberufen und sein befristeter Dienstvertrag „vorsorglich“ gekündigt. Eine Bezahlung oder Beschäftigung erfolgen nicht mehr. Im landgerichtlichen Urkundenprozess, in dessen Rahmen der Geschäftsführer die Vergütung einfordert, teilt die beklagte GmbH mit, der Dienstvertrag sei fehlerhaft geschlossen. Der die Firma (nennen wir sie Möbel Müller GmbH) prägende Gesellschafter, Typ Patriarch, der den Dienstvertrag zeichnete, war entgegen der festen Annahme des Geschäftsführers nicht Alleingesellschafter. Zu einem Prozentsatz von unter fünf war eine juristische Person Mitgesellschafterin. Der junge Geschäftsführer achtete nicht auf die Zusammensetzung und die Vertretungsverhältnisse der Gesellschafterversammlung. Einen Gesellschafterbeschluss zum Abschluss des streitigen Dienstvertrages gab es nicht.

Es lag also ein Abschlussmangel beim Zustandekommen des Anstellungsvertrages vor. Dieser Abschlussmangel führt dazu, dass das Anstellungsverhältnis rechtsgeschäftlich nicht wirksam zustande gekommen ist und daher in der Durchführung ohne Weiteres beendet werden kann. Dies hat der BGH kürzlich nochmals deutlich herausgestellt (BGH 20.08.2019 – II ZR 121/16). Kommt es zwischen Unternehmen und Organ-Mitglied zu einem fehlerbehafteten Anstellungsvertrag, so entsteht nur ein faktisches Anstellungsverhältnis, von dem sich jede Seite ohne Einhaltung einer Frist lossagen kann. Die Vergangenheit, die durch den beiderseitigen Leistungsaustausch (Dienstleistung gegen Entgelt) geprägt war, wird also nicht rückabgewickelt. Für die Zukunft kann das faktische Anstellungsverhältnis aber ohne Weiteres beendet werden und zwar von jetzt auf gleich durch die einseitige Lossagungserklärung der Gesellschaft. Der Umstand, dass der nahezu Alleingesellschafter, Typ Patriarch, stets wie ein Alleingesellschafter auftrat, hilft dem Geschäftsführer regelmäßig nicht.

Abschlussmängel beim Organ-Dienstvertrag

Ist der Abschluss eines Organ-Dienstvertrages mit einem Organ-Mitglied fehlerbehaftet, so entsteht kein wirksames Vertragsverhältnis. Es fehlt dann an einer rechtsgeschäftlichen Einigung zwischen den potentiellen Vertragsparteien. Zu Fehlern kann es insbesondere bei der ordnungsgemäßen Willensbildung des für den Vertragsschluss zuständigen Vertretungsorganes auf der Unternehmensseite, typischerweise ist bei der GmbH die Gesellschafterversammlung (§ 46 Nr. 5 GmbHG) zuständig, sowie bei der fehlerhaften Vertretung dieses Vertretungsorgans in diesem Kontext, kommen.

Eine rechtlich fehlerfreie Willensbildung des innergesellschaftlich zuständigen Vertretungsorgans beginnt mit der satzungs- und gesetzeskonformen Einladung. Es muss des Weiteren eine ordnungsgemäße Beschlussfassung in dem konkret zuständigen Vertretungsorgan kommen. Der Beschluss muss beinhalten, dass der in Rede stehende Organ-Dienstvertrag wirksam abgeschlossen werden soll. Entweder liegt hierbei der bereits endverhandelte Organ-Dienstvertrag als Entwurf vor, oder es wird beschlossen, innerhalb eines bestimmten Rahmens, solle ein Dienstvertrag verhandelt und anschließend abgeschlossen werden. In diesem Rahmen kann das Abschlussmandat dann auch auf einen Dritten – etwa ein einzelnes Mitglied der Gesellschafterversammlung – übertragen werden. Man ahnt, hier bestehen diverse Fehlerquellen.

Der gefasste Wille der Gesellschafterversammlung muss dann umgesetzt werden, d. h. der Organ-Dienstvertrag muss regelmäßig unterzeichnet werden. Unterzeichnen nicht alle Gesellschafter selbst (was in der Praxis durchaus üblich ist), muss die zeichnende Person entsprechend bevollmächtigt sein. Ist sie es nicht, ist der Vertrag (schwebend) unwirksam. Für den Bereich der Aktiengesellschaft soll gar – je nach Lage der Dinge – aus formalen Gründen eine nachträgliche Genehmigung nicht möglich sein (OLG Stuttgart 20.3.1992 – U 115/90, BeckRS 2007, 13858; Habersack, Münchener Kommentar zum Aktiengesetz, 5. Aufl., § 112 Rn. 33 f.). Ob dies für das insoweit weniger strenge GmbH-Recht auch gelten soll, wird man zumindest bezweifeln können. In jedem Falle liegt auch hier eine sehr praxisrelevante Fehlerquelle, die gegebenenfalls zur Unwirksamkeit des Vertrages und zum faktischen Anstellungsverhältnis führen kann.

Treuwidrigkeit?

Warum überrascht das Ergebnis aus dem Beispielfall? Es entspricht doch dem „1×1“ der Rechtsgeschäftslehre. Dennoch entsteht ein erhebliches Störgefühl, da der oben geschilderte „Patriarch“ jedenfalls de facto Herr über das Geschehen war und seine Unachtsamkeit bei der Herbeiführung eines Gesellschafterbeschlusses ihm nun zum Vorteil gereichen soll. Mit anderen Worten: Die oftmals beiderseits unerkannten Fehler liegen meist in der Sphäre der Gesellschaft, die sich dann auf Kosten des Geschäftsführers auf eigene Fehler beim Abschluss des Anstellungsvertrages mit Erfolg berufen kann.

Das sieht natürlich auch die Rechtsprechung und fragt korrigierend nach Treu und Glauben. Doch liegen die Hürden für die Annahme einer Treuwidrigkeit allgemein und erfahrungsgemäß sehr hoch. Dies gilt auch für die vorliegende Konstellation. Im Ergebnis sollen die Grundzüge der Verwirkung zur Anwendung (§ 242 BGB) kommen. Das Lossagungsrecht verwirkt die Gesellschaft also nur dann, wenn sowohl das Zeitmoment als auch das Umstandsmoment erfüllt sind, also die Gesellschaft sich längere Zeit trotz entsprechender Tatsachenkenntnis nicht darauf berufen hat. Es kommt also im Kern darauf an, ob das Organ-Mitglied mit Rücksicht auf alle Umstände des Einzelfalles darauf vertrauen durfte, dass das Lossagungsrecht auch in Zukunft nicht geltend gemacht werde. Das Vertragsverhältnis kann also auch jahrelang von beiden Parteien als wirksam angesehen und gelebt worden sein, ohne dass die Ausübung des Lossagungsrechts zwingend treuwidrig wäre. In der oben genannten Entscheidung des BGH vom 20.08.2019 betonte das Gericht, dass die Verneinung der Lossagungsmöglichkeit wegen Treuwidrigkeit nur ausnahmsweise Erfolg haben könne.

Ob diese Korrekturüberlegungen ausreichend sind, mag zweifelhaft sein. Dem Arbeitsrechtler fällt hier die Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichtes zu fehlerhaften Beschlüssen des Betriebsrates im Rahmen der personellen Mitbestimmung ein. Dort wirkt sich ein Fehler bei der Beschlussfassung des Betriebsrates zulasten des Arbeitgebers nur Ausnahmefällen aus, weil sie aus der Sphäre des Betriebsrates stammen (zusammenfassend Schwarze RdA 2019, 1 ff.).

Würde man diesen Gedanken auf den fehlerhaften Anstellungsvertrag übertragen, wäre den Organ-Mitgliedern sicherlich mehr geholfen.

Grundzüge des faktischen Arbeitsverhältnisses

Das faktische Arbeitsverhältnis führt bei seiner Beendigung dazu, dass der Leistungsaustausch nicht rückabgewickelt wird, da die erbrachte Dienst-  oder Arbeitsleistung nicht rückgängig gemacht werden kann. Dass dies einfacher klingt, als es in der Praxis ist, liegt auf der Hand. Was aber folgt beispielsweise aus einer üblichen und mitunter wirtschaftlich sehr werthaltigen variablen Vergütungsabsprache, die zum Zeitpunkt der Ausübung des Lossagungsrechtes noch nicht fällig war? Was geschieht mit gewährten Vorschüssen? Wie ist mit einer fehlerhafter Abrechnung von Vergütung in der Vergangenheit, der de facto durchgeführten Altersversorgung oder dem Unfallversicherungsschutz umzugehen? Die Liste der Streitpunkte lässt sich nahezu beliebig fortsetzen.

Gesicherte Rechtsprechung zu diesen praxisrelevanten Fragen fehlt. Es besteht folglich eine erhebliche rechtliche Grauzone.

Fazit

Beiden Seiten, also Organ-Mitglied und Gesellschaft, ist dringend zu empfehlen, auf den rechtsfehlerfreien Vertragsschluss des Organ-Dienstvertrages größtmögliche Aufmerksamkeit zu legen. Für das Organ-Mitglied gilt dies sogar verstärkt, da dieses die Auswirkungen des Lossagungsrechtes häufig empfindlicher noch und unvorbereiteter trifft. Daher sollten sich GmbH-Geschäftsführer vor Vertragsabschluss einen Überblick über die Gesellschafter des Vertragspartners samt deren Vertretungsverhältnisse verschaffen. Sie sollten sich den Gesellschafterbeschluss vorlegen lassen bzw. in dem Organ-Dienstvertrag auf diesen Beschluss Bezug nehmen. Bei der Unterzeichnung des Organ-Dienstvertrages wird darauf zu achten sein, ob die zeichnende Person die entsprechende Vollmacht der Gesellschafterversammlung hat. Für Vorstandsmitglieder einer Aktiengesellschaft gilt Entsprechendes unter Berücksichtigung der einschlägigen Spezifika – hier wird das ordnungsgemäße Agieren des Aufsichtsrates beachtet werden müssen.

Auf Seiten der Gesellschaft sollte man zumindest in Beendigungssituationen standardmäßig prüfen, ob nicht ein fehlerhaftes Anstellungsverhältnis vorliegen könnte und dies im Zweifel einwenden. Auf Kündigungsgründe käme es dann bei Durchdringen dieses Einwandes nicht mehr an.